Gesundheitssystem nicht krankjammern

27. Mai 2022

Zu wenige Ärzt*innen, zu lange Wartezeiten … Dass im Gesundheitssystem Handlungsbedarf besteht, hört man immer wieder. In welchen Bereichen man dabei „klotzen und nicht kleckern“ sollte, warum Krankjammern fehl am Platz ist und welche Rolle die Ausbildung spielt, erläutern Johann Gasteiner und Pädagoge Manfred Faist.

Johann Gasteiner (Credit: Foto Fröschl)

„Gesundheit ist die Grundvoraussetzung für Lebensqualität“, steht für Johann Gasteiner, Direktor der HBLFA Raumberg-Gumpenstein, steht außer Frage. Ist die Gesundheit beeinträchtigt, ist immer auch die Lebensqualität beeinträchtigt.“ Und wirklich gesund fühle man sich nur dann, wenn auch die Menschen im persönlichen Umfeld gesund sind. „Wenn die Kinder krank sind, hast du ja selbst keine Freude am Leben“, nennt der Schuldirektor, der auch Vizebürgermeister der Gemeinde Stainach-Pürgg ist, ein Beispiel.

 

Gute Ausbildung für junge Mediziner*innen

 

Was die Gesundheitsversorgung in seiner Heimat angeht, ortet Gasteiner Luft nach oben. „Speziell bei Fachärztinnen und Fachärzten kriegst du fast keinen Termin. Ich hoffe sehr, dass sich da bald was verbessert.“ An der Ausbildung „krankt“ es laut Gasteiner nicht. „Die Medizin- und Pflegeausbildungen in Österreich sind top. Aber ich verstehe nicht, warum die Ausbildungsplätze reglementiert werden. Und auch die Arbeitsbedingungen sind nicht attraktiv.“

Gerade jungen Mediziner*innen sei – wie auch in anderen Bereichen – die Ausbildung wichtig. „Der will eine gute Ausbildung, deshalb geht er nicht in ein kleines Spital, wo er alle drei Wochen einen Blinddarm operiert.“ Die Bündelung der stationären Versorgung in einem Leitspital für den Bezirk Liezen sieht Gasteiner daher positiv. Wichtig sei aber, dass die Bevölkerung transparent informiert wird. „Sonst entstehen nur Gerüchte und Unsicherheiten und das tut dem Ganzen gar nicht gut. Die Leute müssen wissen, welche Fächer im Leitspital angeboten werden und wie es mit den anderen Standorten weitergeht.“

 

„Von allen Tälern aus gut erreichbar“

 

Manfred Faist, Lehrer an der BAfEP Liezen, sieht im Leitspital eine positive Entwicklung für die Region. „Der Standort ist von allen Tälern aus gut erreichbar. Und ich finde auch, dass die Bündelung gut für die Region ist. Momentan ist es ja so, dass vieles sehr zerstreut ist – Schwarzach hat andere Spezialgebiete wie Schladming oder Kalwang.“ Auch die modere Ausstattung ist dem Liezener wichtig. „Ich hoffe sehr, dass man da ‚klotzt, nicht kleckert‘ und wirklich auch in Sachen Medizintechnik am neuesten Stand ist. Und dass man dann nicht mehr drei Monate auf einen MR-Termin warten muss, wenn man nicht bereit ist ein paarhundert Euro zu zahlen.“

 

Gesundheitssystem braucht moderne Strukturen

 

Faist lebt bereits seit 1993 im Ennstal, war davor in Graz tätig und kommt ursprünglich aus dem oststeirischen Birkfeld. Die Unterschiede in der Versorgung zwischen Land und Stadt kennt er daher aus eigener Erfahrung. „Es hat sich, gerade im ländlichen Raum schon vieles verbessert. Andererseits ist es mit den Wochenenddiensten heute wieder sehr schwierig. Es ist nachvollziehbar, dass Ärztinnen und Ärzte auch stärker auf ihre Work-Life-Balance achten und man kann niemanden zwingen. Aber dann muss eben bei den Strukturen nachgebessert werden. Man könnte zum Beispiel die Bezahlung attraktiver gestalten.“

Manfred Faist (Credit: Privat)

Neues Angebot für die kinderärztliche Versorgung

 

Eine sehr positive Entwicklung sieht Faist in den Gesundheitszentren, der selbst Patient im Gesundheitszentrum Liezen ist. „Die Wartezeiten sind jetzt viel kürzer als früher, das ist sehr angenehm.“ Auch das neue kinderärztliche Versorgungsangebot „Kindergesundheit Liezen“, das im Sommer 2022 eröffnet wird, sei sehr wichtig, so der Pädagoge.

 

Lockdown als Herausforderung für Jugendliche

 

Was die Gesundheit seiner Schüler*innen angeht, bliebt die Pandemie nicht ohne Auswirkungen. „Am schwierigsten war es für jene, die davor schon Schwierigkeiten mit dem Stoff hatten und sich schwer mit der Selbstorganisation getan haben. Eine zusätzliche Herausforderung war für manche, dass sie sich im Lockdown um jüngere Geschwister oder Großeltern kümmern mussten. Die meisten haben aber relativ rasch wieder in den normalen Rhythmus hineingefunden“, freut sich Faist. „Auch für die nahende Matura bin ich optimistisch“, blickt der Pädagoge positiv in die Zukunft.

Gesundheitssystem nicht „krankjammern“

 

Auch was die Gesundheitsversorgung im Bezirk Liezen angeht, ist er optimistisch. „Wir haben im Vergleich zu andere Ländern in Österreich ja jetzt schon ein sehr gutes Gesundheitssystem, das darf man nicht krankjammern. Wenn nun der Status quo ein bisschen angehoben wird, es mehr Synergien in der Struktur gibt und ich denke das könnte ein Leitspital leisten, passt das sehr gut.“ Auch was die Gesundheitsvorsorge angeht, stimmt die Richtung laut Faist. „Ich habe schon das Gefühl, dass man stärker zu Vorsorgeuntersuchungen motiviert wird. Weil das einfach sinnvoller ist, als wenn man dann die Versäumnisse bekämpfen muss. In der Generation meines Vaters ist das noch vernachlässigt worden. Natürlich muss man sich aufraffen und gern macht das wohl kaum jemand. Aber ich habe selbst gerade unterschiedliche Untersuchungen hinter mir und es war dann ein gutes Gefühl, alles erledigt zu haben und die Gewissheit, dass man rundum gesund ist.“

 

 

Weitere Interviews mit Bewohner*innen aus dem Bezirk Liezen:

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