Seit Anfang Oktober 2023 betreibt die PVE Diakonissen GmbH das Gesundheitszentrum Admont. Geschäftsführer Hannes Stickler über veraltete Landarzt-Klischees, Teamwork auf Augenhöhe und die richtige Portion Gelassenheit.
Sie waren in den letzten Monaten sehr aktiv, um das Team für das Gesundheitszentrum Admont zusammenzustellen. Wenn Sie über die Gespräche mit potenziellen Team-Mitgliedern Resümee ziehen: Was braucht es, damit Menschen gerne im Gesundheitsbereich arbeiten – etwa im Bereich der Allgemeinmedizin?
Hannes Stickler: Gerade was die Hausärzt*innen angeht, brauchen wir zeitgemäße Bilder. Das verniedlichende Klischee der Landärztin bzw. des Landarztes von früher spricht die meisten jungen Menschen nicht mehr an. Natürlich geht es auch um eine entsprechende Bezahlung und um Anerkennung. Es wäre daher aus meiner Sicht sehr wichtig, Ärzt*innen für Allgemeinmedizin auch als Fachärzt*innen anzuerkennen. Ich habe sehr viele Gespräche mit jungen Mediziner*innen geführt und da ist sehrwohl das Interesse da, im Bezirk Liezen zu arbeiten. Es braucht da aber auch vom System her die richtigen Rahmenbedingungen, der niedergelassene Arzt bzw. die Ärztin muss noch stärker die Schnittstelle zu den weiteren Angeboten der Gesundheitsversorgung sein.
Das Gesundheitszentrum Admont hat Anfang Oktober mit einem zwölfköpfigen Team gestartet. Wie würden Sie Ihr Team beschreiben?
Hannes Stickler: Wir sind ein Team aus zwölf Expert*innen und arbeiten gemeinsam für die Gesundheit der Menschen. Ich stelle dabei bewusst nicht die Ärzt*innen in den Mittelpunkt, sondern sehe alle Expert*innen als gemeinsames Team auf Augenhöhe – egal ob die Expertise in Ordinationsassistenz, Reinigung, Allgemeinmedizin, Krankenpflege, Sozialhilfe oder in einem anderen Bereich liegt. Wir kooperieren dabei auch mit externen Expert*innen, etwa im Bereich Physiotherapie oder Diätologie. Es geht einfach darum, dass die Patient*innen die richtige Behandlung bekommen – und die muss nicht immer vom Arzt oder der Ärztin sein. Andere Länder sind da schon deutlich weiter …
Was läuft in anderen Ländern anders als bei uns?
Hannes Stickler: Egal ob in Skandinavien, Kanada oder anderen Ländern – die „Public Health Center“ im Ausland funktionieren ganz anders als bei uns. Da ist nicht automatisch die Ärztin oder der Arzt der Chef, sondern die Person, die die besten Führungsqualifikationen hat. Alle sehen sich als Team und die Patient*innen bekommen den besten Experten oder die beste Expertin für ihr individuelles Anliegen. In Norwegen sind es beispielsweise die Hebammen, die die Abstriche für Gebährmutterhalskrebs durchführen, bei uns ist das gesetzlich verboten. Hingegen haben wir in Österreich weltweit gesehen die meisten Implantationen von Knie- und Hüftgelenken – sehr teure Operationen. Die Stellung der Physiotherapie ist in anderen Ländern deutlich besser als bei uns. Es tut sich aber auch bei uns einiges, das Konzept des Gesundheitszentrums bzw. der Primärversorgungseinrichtung orientiert sich stark an diesen Erfolgsbeispielen aus dem Ausland. Ich möchte da gerne auch im Gesundheitszentrum Admont Pionierarbeit leisten, indem ich das ganze Team in den Vordergrund stelle und nicht einzelne Berufe oder Personen. Jeder Experte und jede Expertin soll sich auf seine Kernkompetenzen konzentrieren können und dafür wertgeschätzt werden. Dadurch verbessern sich auch die Bedingungen für das Personal, was gerade momentan sehr wichtig ist.
Wie konkret kann man sich dieses Teamwork in der Praxis vorstellen?
Hannes Stickler: Ein Beispiel ist etwa, dass Infusionen von Diplomierten Gesundheits- und krankenpfleger*innen verabreicht werden oder eine Dauermedikation von den Ordinationsassistent*innen und freigegeben wird. Dann können sich auch die Ärztinnen und Ärzte sich besser auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren, etwa die Diagnostik oder das persönliche Gespräch mit den Patient*innen.
Wenn Ärzt*innen mehr Zeit für das persönliche Gespräch haben, stärkt das letzten Endes auch die Gesundheitskompetenz …
Hannes Stickler: Ja, auch das ist ein wichtiger Faktor. Es gibt da eine sozialmedizinische Faustregel: Von 1.000 Gesundheitsproblemen können 900 durch gutes Bewusstsein und den sprichwörtlichen „Hausverstand“ gelöst werden. Von den restlichen 100 lassen sich 90 von Gesundheitsproblemen lösen, neun brauchen eine niedergelassene Versorgung und nur einer der Fälle muss ins Krankenhaus. Das zeigt ganz klar, dass wir da noch Potenzial haben. Wir müssen die Bevölkerung dabei unterstützen, selbst wieder zu lernen, was sie für ihre Gesundheit tun können oder dass ein fieberndes Kind nicht immer gleich ein Notfall ist, der im Krankenhaus behandelt werden muss. Wenn wir es hier schaffen, in den richtigen Fällen gelassen zu bleiben, haben wir viel mehr Ressourcen für die wirklich dringenden Fälle verfügbar.